Die Angaben zur nötigen Gehegegröße sind also sehr unterschiedlich. Wieviel Platz ein Kaninchen tatsächlich braucht ist abhängig von
- seinem individuellen Charakter
- der Zusammenstellung der Gruppen
- der Gestaltung und Strukturierung des Geheges
- der zusätzlichen Auslaufzeit/Fläche
Zu groß kann ein Gehege nicht sein, zu klein sind jedoch viele. Mehrere m² sollten den Kaninchen rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Beobachtet man Kaninchen in Konfliktsituationen wird man allerdings schnell feststellen, dass die unterlegenen Tiere 5 m - 10 m Platz brauchen, um in solchen Situationen ausweichen zu können.
Tatsächlicher Platzbedarf

Aspekte, die bezüglich des Platzbedarfs von Kaninchen zu berücksichtigen sind:
- Bewegungsabläufe
- Bewegungbedürnis
- Rückzugsmöglichkeiten
- Kommunikation
- Revierbildung
- Individualdistanz
Artgemäße Bewegungsabläufe wie hoppeln, Haken schlagen, aufrichten und ausgestrecktes liegen müssen ermöglicht werden. Insbesondere für größere Sprünge benötigen die Tiere mehrere m² sowie eine ausreichende Höhe des Geheges. Auch Sprintstrecken sind dabei nötig, um schnellere Bewegungen und damit auch Stressabbau zu ermöglichen.
Auch das Bewegungsbedürfnis darf nicht vernachlässigt werden. Nach Vastrade (1986) bewegen sich Weibchen täglich ca. 880 m bis 1700 m fort, Männchen 1150 m bis 3360 m. Gleichmäßige artgemäße Bewegungsabläufe sind essentiell für eine Gesunderhaltung des Bewegungsapparats.
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Abbildung 1: Platz für Bewegungsabläufe. Benötigte Länge für 3 Hoppelschritte (a) und Fluchtsprünge (b) für Zwergrassen, kleine Rassen und große Rassen.
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Foto©Alexandra Stoffers - flickr.com |
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Abbildung 2: Hoppelsprünge. Um sich artgemäß zu bewegen brauchen Kaninchen Platz und einen griffigen Untergrund. |
Näheres zum Thema Bewegungsabläufe: Anatomie - Fortbewegung
Neben ausreichend Freiraum muss die Größe des Geheges auch eine ausreichende Gestaltung ermöglichen, sowie ausreichend Rückzugsmöglichkeiten bzw. Fläche zum Ausweichen bieten.
Auf engem Raum sowie in verwinkelten Wohnungen kommt es vergleichsweise häufig zu Konflikten, die unter anderen Umständen, nämlich mit ausreichend übersichtlicher Fläche, überhaupt nicht entstehen würden. Wer Kaninchen beobachtet, welche ausreichend Platz haben, wird feststellen, dass die Tiere bereits auf relativ große Distanzen aufeinander reagieren und miteinander agieren. Fehlt weit reichende freie Fläche sind die Kaninchen in ihrer Kommunikation daher sehr eingeschränkt, wodurch sozialer Stress entsteht und die Tiere untereinander weitaus aggressiver werden.
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Foto©Alexandra Stoffers - flickr.com |
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Abbildung 3: Konfliktlösung und Entspannung. Nur wenn Kaninchen Platz haben miteinander zu kommunizieren und Konflikte zu lösen, ist ein entspanntes Miteinander möglich. |
Ein weiterer Punkt, der für den Platzbedarf eines Kaninchens ausschlaggebend ist, ist die Revierbildung. Während im Winter, außerhalb der Paarungszeit, die Kaninchen relativ friedlich sind, beginnt im Frühjahr die Paarungszeit und damit auch die Revierbildung. Ranghohe Tiere halten dabei den Kern des Reviers, rangniedrige müssen sich auf den ungünstigeren Außenbereich beschränken. Vastrade (1986) zeigte ein vergleichbares Raumnutzungsverhalten von Haus- und Wildkaninchen. Das Territorium einer Kolonie beträgt nach Angermann (1972) etwa 20 ha (20.000 m²). Die Größe des genutzten Gebietes ist abhängig von Geschlecht, sozialem Rang und dem Alter der Kaninchen sowie der Jahreszeit. Junge Kaninchen haben tendenziell größere Reviere als erwachsene Tiere. Männliche Kaninchen haben größere Reviere als Weibchen. Nach Myers and Poole (1961) sind die Reviere von Weibchen ca. 1200 m² groß, die von männlichen Kaninchen ca. 2000 m². Während der Paarungszeit werden größere Reviere beansprucht (Devillard et al. 2008). Daraus wird ersichtlich, wie schwierig die Situation für rangniedrige Kaninchen in kleinen Gehegen sein kann. Sie haben keine Möglichkeit, den „Wünschen“ der Ranghöheren zu entsprechen, was wiederum Konfliktsituationen fördert.
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Abbildung 4: Aktionsräume. Die Aktionsräume Kaninchen unterschiedlichen Geschlechtes und Rangordnung. A: Ranghöchster Rammler; B: Untergeordneter Rammler; C: Dominantes Weibchen (nach Leicht). Fehlen den Kaninchen die Möglichkeiten den ranghöheren Kaninchen aus dem Weg zu gehen, kann dies zu vermehrten Konflikten und Verletzungen führen.
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Individualdistanzen sind ein weiterer wichtiger Aspekt. Eine Individualdistanz ist die Entfernung zwischen zwei Tieren, die noch ohne Ausweichen oder Angriff geduldet wird. Kaninchen sind oft sehr Kontaktfreudig, liegen gerne beisammen. Allerdings ist dies bei wenigen Tieren rund um die Uhr der Fall. Häufig beobachtet man auch Kaninchen, die für sich liegen. Je nach Kaninchen und Umständen ist die Distanz, in denen in solchen Situationen auf eine Artgenossen reagiert wird sehr unterschiedlich, kann aber durchaus mal mehrere Meter betragen. Ist das Gehege nicht weiträumig genug, wird ein ruhendes Tier daher häufig gestört, was zusätzlich Konfliktsituationen fördern und insbesondere für rangniedrige Tiere ein Entspannen nicht möglich macht.
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Abbildung 5: Individualdistanz. Jedes Kaninchen hat eine Individualdistanz. Das ist die Entfernung, die ohne Ausweich- oder Angriffsreaktion geduldet wird. Können Kaninchen nicht aneinander vorbei, ohne die Individualdistanz des Anderen zu unterschreiten, kann dies Konflikte fördern und zu Stress führen.
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Ein Gehege muss immer so groß sein, dass auch rangniedrige Tiere ihre Bedürfnisse ausreichend ausleben können und nicht unter Dauerstress leben müssen!
Literatur
Angermann, R. (1972): Die Hasentiere. Das Europäische Wildkaninchen. In: Grzimeks Tierleben. Enzyklo- pädie des Tierreichs. 3. Bd. XIII Säugetiere. Erstausgabe. Zürich. Kindler. S. 419-450
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren (10. Juni 1996)
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen (10. Juni 1996)
Bioland e.V. Verband für organisch-biologischen Landbau: Bioland Richtlinien: 23. April 2001
Devillard, S. Aubineau, J. Berger, F. Léonard, Y. Roobrouck, A. Marchandeau, S. (2008): Home range of the European rabbit (Oryctolagus cuniculus) in three contrasting French populations. Mammalian Biology 73: 128-137
Myers, K. u. W. Poole (1961): The effects of season and population increase on behaviour. C.S.I.R.O. Wildl. Res. 6, 1-41
Schlolaut, W. (Hrsg) in Zusammenarbeit mit Lange, K.; Das große Buch vom Kaninchen; 3., erw. Aufl.; Frankfurt am Main; DLG-Verl., 2003; 488 S.; ISBN 3-7690-0592-9
Schley P.: Kaninchen. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart, 1985
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. - Kaninchen (Stand 2019)
Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V. - Kaninchenhaltung; Merkblatt Nr. 78; 2000
Vastrade F. (1986): Spacing Behaviour of Free-Ranging Domestic Rabbits, Oryctolagus cuniculus L., Animal Behaviour Science, 18 (1987) 185-195